2009 -
Oktober
"Mittelmässigkeit
ist der Massstab für eine gute Beziehung. Zwischen den Paaren, die
man in den Ferien in den Restaurants sitzen sieht, herrscht das
grosse Schweigen. Wohl alles Vernunftehen, das neue Ideal.
Massenweise Paarliteratur beruhigt: Die Liebe kann wachsen. Man
kann auch ohne Sex glücklich sein. Der Ehepartner als bester
Freund ist doch schön, Langeweile zu zweit normal. Das
partnerschaftliche Verhältnis macht es für die leidenschaftliche
Liebe schwierig. Die Gleichberechtigung hat dazu geführt, dass
eine Form von Romantik in Verruf geriet: Romantik, bei der ein
Mann eine Frau erobern muss und eine Frau den Mann bis zum Letzten
reizt. Das Dogma der Gleichheit zerstört die Libido und langweilt
sowohl Männer als auch Frauen."
(Birgit Schmidt in Das
Magazin des Tages-Anzeiger vom
05.09.2009)
"Ich habe in meiner Praxis über 40
Jahre erlebt, wie gesellschaftliche Veränderungen die
Paarbeziehung mit verändern: Vor 1968 ging es bei Konflikten in
erster Linie darum, einen Schuldigen festzulegen. Mit der 68er
Revolution wollte man die Liebe versachlichen: weg von intensiven
Gefühlen, die abhängig machen. Wichtig war sich abgrenzen, ganz
für sich selbst entscheiden. Dann, als die Emanzipationsziele
weitgehend erreicht waren und die Frauen aufgeholt hatten, merkte
man, dass etwas verloren gegangen war: die Emotionen. Heute sind
die Emotionen besonders wichtig: Man will in der Beziehung
intensive Gefühle leben."
(Der Paartherapeut Jürg
Willi im
Gespräch mit Kathrin Meier-Rust in der Neuen Zürcher Zeitung vom
27.09.2009)
Geht's noch blöder? fragt Jennifer Hedderich in der
Online-Ausgabe des Kölner Stadt-Anzeiger angesichts der Sat
1-Reihe Promi-Singles.
Nach 4 statt 8 Folgen kam das Aus - trotz oder wegen Dèsiree Nick?
Gräfin gesucht (Sat 1) duellierte sich mit
Schwiegertochter gesucht (RTL) - und verlor in der
Publikumsgunst gegen die Nesthocker - unter ihnen zwei
Männer im
mittleren Alter ohne Beziehungserfahrung - und ihre Brautschau. Wer
auf RTL-Quotenrenner Bauer sucht Frau nicht warten mochte,
dem bot das ZDF die Komödie
Butter bei die Fische.
Tagesspiegel und
taz betitelten ihre Filmbesprechungen übereinstimmend mit
Bauern suchen Frauen.
Land & Liebe (NDR) erregte dagegen keine mediale Aufmerksamkeit.
Schluss
mit der Vernunft fordert Birgit Schmidt im Magazin
des Tages-Anzeigers. Mit der amerikanischen Autorin Christina
Nehring plädiert sie für mehr Leidenschaft und Liebe, die dem Ideal
der modernen Beziehungen abhanden gekommen seien.
Passend dazu verkündet Sven Hillenkamp in
seinem Buch Das Ende der Liebe. Der Tagesspiegel druckt einen
gekürzten Auszug:
Wir sind so frei. Die Online-Partnersuche gilt den
Verfechtern der "absoluten Liebe" (Jürg Willi) als Inbegriff der
Unmöglichkeit von Liebe.
In der Neuen
Zürcher Zeitung betrachtet der Schweizer Paartherapeut Jürg Willi
dagegen Leidenschaft, Vernunft und Freundschaft als drei Aspekte der
Liebe, die jeweils zu verschiedenen Zeiten im Vordergrund
standen. Heutzutage möchte man
in der Beziehung wieder intensive Gefühle leben. Ein
magisches Hochzeitsdatum wie der 09.09.09 ist mittlerweile
Anlass, an den gesunden Menschenverstand zu appellieren, schon bei
der Heirat an die Scheidung zu denken.
Eheverträge sollen heutzutage nicht mehr den Ehemann, sondern
die Hausfrau schützen, wie Karen Haak in der Welt am Sonntag
erläutert.
Partnersuche per Computer ist keine Erfindung
der 1990er Jahre wie Roland Gratzer in einem Beitrag über
Computer
in der Popmusik bemerkte. Bereits 1968 landete France Gall
mit Computer Nr.3 einen Hit: Der Computer Nr.3 findet für
mich den richtigen Boy.
Karriere macht Männer sexy, Frauen einsam weiß Bettina
Weiguny in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu
berichten.
Darf man beim ersten Date schon gruscheln? fragt sich Nicola
Erdmann in der Welt am Sonntag. Wem der Begriff "Gruscheln"
nichts sagt, der kennt sich in der Welt der sozialen Netzwerke wie
Facebook oder StudiVZ nicht aus. Während die
Wissenschaft mittlerweile die Partnerbörsen entdeckt hat, verändern
auch soziale Netzwerke die Partnersuche. Im DeutschlandRadio
berichtet Maximilian Schönherr über
zwei verschiedene Möglichkeiten der Partnervermittlung übers
Internet. Die meisten kennen parship.de, aber nicht das
führende Gruppen-Verabredungsportal der USA: ignighter.com.
Im Gespräch mit Manfred Kloiber geht Schönherr auf den
Unterschied von Internet-Partnerbörsen und sozialen Netzwerken
ein. Die Unterschiede könnten sich aber bald verwischen. Thomas J.
Schult berichtet über den Portal-Gründer Steve Odom, der mit dem
Dating-Portal Gelatodating.com neue Wege geht:
Online-Partnerbörse nutzt Infos aus sozialen Netzwerken.
Aber auch bestehende Beziehungen und Freundschaften verändern sich.
Im Telepolis-Beitrag
Die Nutzung von Facebook macht eifersüchtiger hat Matthias
Becker dazu die kanadische Psychologin Amy Muise befragt.
In seinem Buch Couch
Surfing stellt der Australier Brian Thacker eine neue Form des
Alleinreisens vor. Seit 2004 vermittelt das weltweite
Internet-Netzwerk couchsurfing.org Übernachtungsmöglichkeiten
bei Einheimischen. Auf diese Weise erlebte Thacker eine
abenteuerliche Reise um die Welt.
Paul Stänner und
Erik Raidt haben das Buch besprochen. [
Zum Rückblick auf den August
2009 ] |