Inhalt
"»Ich bin
jung, reich und gebildet; und ich bin unglücklich, neurotisch
und allein. Ich stamme aus einer der allerbesten Familien des
rechten Zürichseeufers, das man auch die Goldküste nennt. Ich
bin bürgerlich erzogen worden und mein ganzes Leben lang brav
gewesen. Meine Familie ist ziemlich degeneriert, und ich bin
vermutlich auch ziemlich erblich belastet und milieugeschädigt.
Natürlich habe ich auch Krebs, wie aus dem vorher Gesagten
selbstverständlich hervorgeht.« So beginnt der junge schweizer
Autor, der sich Fritz Zorn nennt, sein Buch, und er beendet es
mit dem Satz: »Ich erkläre mich als im Zustand des totalen
Krieges.« Anfang und Ende sind die Klammern für einen
dreißigjährigen seelischen Krieg in scheinbarem Frieden, sind
der Schlüssel zu dem Bekenntnisbuch eines Sterbenden, das nach
seinem Erscheinen weltweites Aufsehen erregte und zu einem
Bestseller wurde. Es war aber nicht allein die Betroffenheit
über das Schicksal des Icherzählers, der unmittelbar nach der
Zusage zur Veröffentlichung seines Manuskriptes im November 1976
an jener Krankheit starb, die das Thema dieses Buches ist: an
Krebs. Der Erfolg beruht auch auf der literarischen Bewältigung
eines lebenslang geleugneten, allgemeingültigen Konflikts, der
im Bewußtsein des Todes zur befreienden Kriegserklärung führt.
Als der 30jährige Millionärssohn und Gymnasiallehrer während
einer psychotherapeutischen Behandlung von seiner tödlichen
Krebserkrankung erfährt, gibt er sich Rechenschaft über ein
Leben, das er nicht gelebt hat. Die Unausweichlichkeit des Todes
ist der erste schmerzhafte Einbruch wirklichen Lebens, der
physische Schmerz beginnt die »Unempfindlichkeit der Seele«,
Ursache schwerer Depressionen und tiefer Traurigkeiten, hat
ihren Ursprung im Elternhaus am Zürichsee, in jener gespenstigen
Familie, in der man Patiencen legt, Berührungen vermeidet, jede
Herausforderung von Realität unter der Magie des Rituals
versteckt, jeden Anflug von Sexualität mit dem Begriff der
Anständigkeit vertreibt. Der halbwüchsige Musterschüler, dann
Musterstudent und schließlich ebenso musterhafte Lehrer, der
weder Freundschafts- noch Sexualbeziehungen je gekannt hat,
leidet unter dem ständigen Erstickungsgefühl, »eine Krähe am
Hals zu haben«. Als der betrogene Körper dem Krebs verfällt,
sieht Zorn darin nur die somatische Form seiner Neurose. Im
Sterben setzt er sich zum erstenmal zur Wehr - gegen die
Krankheit, gegen die familiäre und soziale Herkunft, gegen das
Nichtlebendürfen."
Bewertung
Der Roman
Mars von Fritz Zorn, der bei seinem Erscheinen im Jahr 1977
als autobiografischer Bericht gelesen wurde, gibt Einblicke in
die Psyche eines Menschen ohne Beziehungserfahrung. So wird z.
B. deutlich wie Ängste zum Scheitern bei der Partnersuche führen
können (mehr
hier).
In vielerlei
Hinsicht ergeben sich Parallelen zu den Protagonisten in den
Romanen von Michel Houellebecq. Insbesondere das Buch
Elementarteilchen lädt ein zu zeithistorischen Vergleichen.
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